Schwarzenbrunner: "Wir müssen die jungen Trainerinnen und Trainer im System halten!"

Kraftdreikämpfer war Karl Schwarzenbrunner, professionell auf dem Eis hat er nie gestanden. Dennoch machte der Deutsche Eishockey Bund (DEB) ihn, den Quereinsteiger, zum Bundestrainer Wissenschaft und Ausbildung, und damit verantwortlich für die gesamte Trainerausbildung im deutschen Eishockey. Eine Besonderheit? Wir sprachen im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Peking mit Karl Schwarzenbrunner über Olympia und das Trainerwesen im deutschen Eishockey.

BVTDS: Du bist seit 2017 für den DEB tätig, hast dort angefangen als Leistungssportreferent, und warst zuvor Athletiktrainer beim österreichischen Fußball-Erstligisten Wacker Innsbruck. Wie kam es zu diesem Engagement?
KS: Der damalige Bundestrainer Wissenschaft und Ausbildung und spätere Sportdirektor Stefan Schaidnagel hat mich für diese damals neu eingerichtete Position akquiriert. Mit der Beförderung von Stefan zum Sportdirektor wurde ich Bundestrainer. Für mich war es ein sehr guter Schritt. Zuvor war ich als Athletiktrainer tätig. Nun kann ich vielseitiger, strukturell und strategisch arbeiten.

BVTDS: Welche Aufgaben hast du inne?
KS: Ich bin Chef der gesamten Trainerausbildung. Ich setze den Rahmen aller C-, B- und A-Ausbildungen sowie Fort- und Weiterbildungen.

BVTDS: Ohne das vermeintlich nötige Knowhow?
KS: Sicher, ich kenne den Sport nicht vom Eis. Das sehe ich für meine Rolle aber nicht als zwingend notwendig an. Ich habe Sportwissenschaften und Physiotherapie studiert, war in Australien und Österreich als Athletiktrainer tätig. Ich weiß, wie Training zu gestalten ist, wie eine Ausbildung aufgebaut werden muss. Meine Aufgabe ist es, festzulegen, welche Inhalte wir auf welche Weise vermitteln und dafür Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich habe vermutlich jedes Eishockey-Buch gelesen und gehe auch in den inhaltlichen Diskurs mit den Bundestrainerinnen und -trainern. Aber: Die sportfachliche Aus- und Weiterbildung übernehmen dennoch die sportspezifischen Experten, also die Bundestrainer.

BVTDS: Die Bundestrainer sind in alle Ausbildungen eingebunden?
KS: Ja. Im deutschen Eishockey sind rund 20.000 Spielerinnen und Spieler organisiert, wir sind ein kleiner und agiler Verband. Da ist das möglich. In den C-Trainer-Ausbildungen sind aber auch Landestrainer dabei. Wir halten es für wichtig, dass die besten Trainer auch die Aus- und Fortbildungen gestalten. Das sorgt für eine hohe Qualität. Ebenso die Tatsache, dass selbst die C-Trainerausbildung zentralisiert ist. Ich selber nehme jede Veranstaltung wahr, bin also bestens informiert.

BVTDS: Jede Veranstaltung? Damit dürftest du auf ähnliche Abwesenheitszeiten von daheim kommen wie deine Kolleginnen und Kollegen in den Vereinen und Verbänden.
KS: Sagen wir so. Vor Corona habe ich im Jahr 170 Nächte in Hotels verbracht. Da hilft es, dass meine Frau als Hochschullehrerin in Innsbruck und Kufstein ebenfalls einen erfüllenden Beruf ausübt und wir Erfahrungen darin haben, eine Fernbeziehung zu führen. Insofern gibt es gegenseitiges Verständnis, dafür dass wir beide viel, manchmal zu viel unterwegs sind. Wenn wir Zeit miteinander verbringen, dann machen wir das auch intensiv.

BTVDS: Nochmal zurück zur Trainerausbildung im Eishockey. Zahlt sich die Qualität in der Ausbildung aus?
KS: Es gibt derzeit 1.018 lizensierte Trainerinnen und Trainer, darunter sicher ein paar Karteileichen. Jedes Jahr bilden wir 120 C-Trainer*innen sowie im Wechsel 30 B- oder A-Trainer*innen aus, die Nachfrage ist sogar noch größer. Damit können wir zufrieden sein. Aber meiner Einschätzung nach benötigen wir eine bessere Personalentwicklung in den Vereinen. Wir bilden aus, aber nach zwei, drei Jahren sind die Leute häufig wieder raus, weil sie keine beruflichen und finanzielle Perspektive in den Vereinen sehen. Unser Ziel muss es sein, die Leute länger zu binden und im System zu halten. Denn sicher trägt die Ausbildung zur späteren Qualität eines Trainers oder einer Trainerin bei, genauso bedarf es aber Erfahrung und Routine.

BVTDS: Worin siehst du das Problem der fehlenden Perspektive?
KS: Es gibt einerseits Vereine jenseits der DEL-Clubs, denen es schwerfällt, überhaupt eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Anderseits ergreifen junge Trainerinnen und Trainer mit Mitte 20 meiner Einschätzung nach zu häufig ihre Chancen nicht. Sie wünschen sich Hauptamtlichkeit, einen Fünf-Jahres-Vertrag und eine finanzielle Absicherung. Aber das ist nicht die Realität. Man muss flexibel sein, wenn man Erfolg haben möchte. Es gibt da ein zu großes Sicherheitsbedürfnis, dabei bin ich davon überzeugt, dass sich bei entsprechender Qualität immer wieder gute Möglichkeiten ergeben. Aber ich weiß auch, dass ich in einer privilegierten Situation bin. Wir sind zwei gute Verdiener, haben keine Kinder, natürlich schafft das Freiraum.

BVTDS: Wie sieht denn die Situation für die Mehrheit der Trainerinnen und Trainer im Eishockey aus?
KS: Die allermeisten sind in den Vereinen tätig, vergleichsweise wenige hauptamtlich im Spitzen- oder in den Landesverbänden. Die DEL-Clubs sind natürlich sehr gut ausgestattet, aber sind finanziell in einem ganz anderen Bereich. Die meisten Trainerinnen und Trainer sind in Vereinen, im Nachwuchsbereich tätig. Und da haben wir das Problem, dass bestimmte Teams einfach Familien-Killer sind. Das Training von U17-/U20-Teams findet in den Abendstunden statt, das Training der Frauen sogar spät abends. Das erschwert es, gute Trainer im so wichtigen Nachwuchs- und Anschlussbereich zu halten.

BVTDS: Deine eigene berufliche Situation hattest du schon als privilegiert beschrieben. Du bist unbefristet angestellt?
KS: Ja, ich hatte zunächst einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag, der im Anschluss entfristet wurde. Also alles ganz korrekt. Auch werde ich angemessen und im Rahmen der Vergütungstabelle, die die DOSB-Mitgliederversammlung im Dezember 2019 beschlossen hatte, bezahlt. Klar, im Fußball ist mehr Geld zu verdienen, aber dieser Job, den ich derzeit ausübe, würde ich schon als Traumjob bezeichnen. Wir können noch viel erreichen. Außerdem schätze ich den ständigen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, zuletzt hatte ich beispielsweise Kontakt zu Ulla Koch. Diese Tätigkeit ermöglicht mir eine viel breitere Beschäftigung, als es als Athletiktrainer im Fußball möglich war. Einzig die direkte Arbeit am Athleten, die vermisse ich ein wenig.

BVTDS: Das wird dir in Peking wieder möglich sein.
KS: Exakt, dort werde ich tatsächlich für die Herren-Nationalmannschaft im Bereich Athletik und noch viel mehr für Regeneration verantwortlich sein. Bei den Jungs findet das Athletiktraining in den Clubs statt, beim Wettkampf geht es also im Wesentlichen um gute Regeneration. Dafür möchte mich Toni Söderholm, unser Chef-Bundestrainer, an der Seite des Teams haben.

BVTDS: Du erlebst also deine ersten Olympischen Spiele. Für die meisten Athlet*innen und Trainer*innen ist Olympia der sportliche Traum. Im professionalisierten Eishockey auch?
KS: Für mich auf jeden Fall. Aber ich denke, dass es auch für Profis immer ein besonders Erlebnis ist und einen hohen Stellenwert hat, sein Land zu vertreten. Nach Silber 2018 wollen wir auch in diesem Jahr wieder eine Medaille holen. Das Ziel steht.

BVTDS: Trotz der herausfordernden Gegebenheiten vor Ort?
KS: Die dürfen wir nicht an uns heranlassen. Für den Moment spielt das alles keine Rolle, wir müssen das Drumherum ausblenden, von den Athleten fernhalten und ihnen die Sorgen nehmen. Dann kann es klappen mit der erhofften Medaille.

Karl Schwarzenbrunner (Foto: DOSB/Frank May)